Auszug aus dem Protokoll der 16. (öffentlichen) Sitzung des Seniorenbeirates der Stadt Koblenz in der V. Legislaturperiode vom 11. Mai 2017, Historischer Rathaussaal, Raum 101.
Anlass: Vortrag Baudezernent Bert Flöck.
Top 3 Vortrag Baudezernent Bert Flöck
Bert Flöck, seit 01. September 2016 Baudezernent der Stadt Koblenz, dankt dem Seniorenbeirat für sie Vortragsmöglichkeit und nennt folgende Punkte, die aus seiner Sicht als besonders wichtig für die Stadt Koblenz, Seniorinnen und Senioren sind:
– Stadtentwicklung für Senioren, Familien und Kinder
– Öffentlicher Personennahverkehr, Erhaltung der Mobilität und eines selbstbestimmten Lebens für Senioren und Seniorinnen der Stadt.
– Wohnen und Wohnraumversorgung.
Herr Flöck räumt ein, dass nicht alle Aspekte der Stadtentwicklung in der kurzen Zeit ansprechbar sind, einige wolle er aber erläutern (Zusammenfassung der Ausführungen kursiv):
Seit 2009 leben ca. 7000 mehr Menschen in Koblenz.
Wohnraumkonzept von 2014 ist zum Teil längst überholt.
Als Ursachen können genannt werden:
– Zuzug junger Menschen (Ausbildung, erste Arbeitsstelle)
– Universität, mit rund 12000 Studenten am Rande der Kapazitätsgrenze, ebenso die Parkmöglichkeiten vor Ort. Koblenz ist für viele junge Menschen der Erstwohnsitz geworden, auch wegen der Zweitwohnungssteuer.
– Erfolgreiche Wirtschaftsunternehmen in der nahen Umgebung ziehen bundesweit Menschen an.
– Viele Ältere Menschen ziehen in die Stadt bzw. stadtnahen Gebiete, was den geänderten Lebensumständen (höhere Ansprüche an die Infrastrukturangebote) geschuldet ist.
– Zufluchtssuchenden wurden aufgenommen, ein Faktor des Wohnraumbedarfs, der im Jahr 2014 noch nicht bekannt war. Derzeit werden pro Jahr ca. 240 Wohneinheiten mehr benötigt als ursprünglich geplant.
Wo? Nicht im teuren Wohnpreissegment, sondern vermehrt im Mietwohnungsbau des günstigeren Preiswohnsegmentes oder auch im sozialen Wohnungsbau.
Es befinden sich derzeit ca. 6000 Menschen im Leistungsbezug nach SGB II , für die es an preisgünstigem Wohnraum und Sozialwohnungen fehlt. Zudem gibt es immer mehr Menschen mit Ausbildung/Beruf die so wenig verdienen, dass sie einen Berechtigungsschein für SGB II beantragen könnten, es aber nicht tun.
Lösungsansatz:
Koblenz selbst kann keinen eigenen Wohnraum schaffen, es fehlt an verfügbaren Flächen. Es müssen Flächen gefunden werden um definieren zu können, wo neuer Wohnraum entstehen kann. Es wurden bereits Baulücken ermittelt, 800 Eigentümer angeschrieben, ob sie bereit wären diesen Platz zur Verfügung zu stellen, jedoch nur Wenige stimmten dem zu. Die meisten möchten ihre Grundstücke in den Familien behalten und für die Nachkommen verwahren. Nachvollziehbar, steigt doch der Grundstückswert derzeit stetig.
Was kann sonst noch getan werden?
Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hat im Einvernehmen mit der Stadt Koblenz derzeit die Fritsch-Kaserne auf der Niederberger Höhe mit einer potentiellen Baufläche von 17.5 ha zum Verkauf ausgeschrieben für Wohnraumbebauung. Da allerdings Sozialwohnungen der Mietpreisbindung unterliegen, verschärft dies noch die Situation und schreckt Investoren ab. Gleichwohl soll es in Koblenz künftig eine verbindliche Quote für Sozialwohnungen geben. Im Beispiel Fritsch-Kaserne wäre eine solche von der Stadt vorgegebene Quote Bestandteil des Vertrages und Voraussetzung für einen Abschluss.
Flächen und Gelände, die derzeit anderweitig genutzt werden, sollen der Wohnraumbebauung zugeführt werden. In ca. 3-4 Jahren wird die Gneisenau-Kaserne (Horchheimer Höhe) geräumt; somit werden weitere Flächen frei.
Öffentlicher Personennahverkehr:
Die Stadt Koblenz hat einen Vertrag mit EVM und VRM, darin sind Haltestellen und Fahrpreise festgeschrieben. Für darüber hinausgehende Leistungen müsste die Stadt die Kosten übernehmen.
Wie stellt sich Koblenz bis 2020 den ÖPNV vor? Um diese Frage besser beantworten zu können, wurde eine Studie in Auftrag gegeben, Koblenz im Vergleich mit anderen Städten wie Trier etc.
Ergebnis ;
– Konzeption des Netzes: gut – Angebotsvolumen: unterdurchschnittlich – Taktdichte: durchschnittlich bis unterdurchschnittlich – Fahrpreis: sehr teuer
Die Stadt kann die Preise nicht allein gestalten, die Preisbindung ist im Verkehrsverbund vertraglich geregelt. In einem Nahverkehrsplan wird definiert, was künftig gewünscht ist: z.B. Nachtbusse, Taktdichte an Wochenenden, eine extra Universitätslinie, Anbindung Güls Süd u.a. Nachfolgend werden eine sachliche und inhaltliche Bewertung vorgenommen und Kosten ermittelt, um einen Beschluss im Stadtrat fassen zu können. Der Stadtrat entscheidet über die Qualität des Öffentlichen Personennahverkehrs.
Radwegeausbau:
Die Stadt Koblenz ist baulich leider bisher nicht dafür ausgelegt. Der Rat müsste entsprechende politische Signale senden, da für einen Ausbau enorme Kosten entstehen, notfalls sogar Parkflächen geopfert werden müssen. Ein Punkt, dem weiter Beachtung geschenkt werden muss, da der Anteil der Radfahrer und hier auch der radfahrenden Senioren steigt.
Gesundheit:
Koblenz verfügt über eine gute Grundversorgung und ist mit der Anzahl der Krankenhäuser und Arztpraxen gut aufgestellt, so Bert Flöck.
Wie man bereits der Presse entnehmen konnte, stehen eine Sanierung des Kemperhofes und des Evangelischen Stifts an. Das Land plädiert für Fusion und Bettenabbau, um die Kosten einzudämmen, andernfalls gebe es keinen Zuschuss. Flöck sprach sich dafür aus, keinen Bettenabbau zu Lasten der Grundversorgung zuzulassen.
Kindertagesstätten:
Derzeit werden vier neue Kindergärten gebaut, weitere sind in Planung.
Pfaffendorfer Brücke:
Die Brücke wird neu gebaut werden müssen, eine Sanierung wäre letztlich unwirtschaftlich.
Barrierefreiheit:
Da hier die Anforderungen auch im privaten Wohnungsbau stetig steigen, muss ein Masterplan aufgestellt werden.
Der Behindertenbeauftragte der Stadt, Andre Bender, verlangt, dass auch Bushaltestellen zwingend barrierefrei sein müssen und in den Verkehrsvertrag mit aufgenommen werden sollen.
Sicherheit:
Beispiel Neuendorf, hier schlagen immer wieder junge Erwachsene über die Stränge. Caritas, runde Tische und Sozialarbeit stoßen hier an ihre Grenzen. Sicherheit ist ein großes Thema für die Stadt. Polizei und ggf. Strafverfolgung müssen weiter ausgebaut werden. Ein Ansatz ist es, den sozialen Wohnungsbau nicht wie in der Vergangenheit in einem Gebiet zu massieren. Eine Verteilung über die Stadt verspricht bessere Integration und Vermeidung sozialer Brennpunkte.
Auch in der Altstadt sind nächtliche Ruhestörungen und Vandalismus an der Tagesordnung. Das Ordnungsamt stößt hier an seine Grenzen. Schnell wird der Ruf nach dem Staat laut, dies bedeutet im Umkehrschluss mehr Personal. Mehr Personal bedeutet mehr Kosten, und dies ruft ebenfalls Unmut hervor. Die kommunalen Vollzugsbeamten sind überlastet und haben kaum Befugnisse, die staatliche Polizei hat weder Kapazitäten noch Zuständigkeit. Laut Flöck muss das Personal aufgestockt und die Präsenz in der Nacht erhöht werden.
Der Baudezernent spricht sich auch für Videoüberwachung an bestimmten Stellen aus. Viele Straftaten können somit vermieden bzw. leichter aufgeklärt werden. Eine Überwachung müsste natürlich in einem gesetzlich einwandfreien Rahmen erfolgen.
Eine vorgezogene Sperrzeit ist nicht die Lösung, sie verlagert das Problem nur zeitlich.
Vandalismus und Verschmutzung muss man in den Griff bekommen, gerade auch im Hinblick auf die Lebensqualität der Bewohner der Altstadt.
Herr Flöck dankt den Zuhörern und stellt sich den Fragen des Beirates und der Zuhörer.
Frage: Wie sehen Sie alternative Verkehrsmodelle, z.B. in der Nacht eine Taxifahrt zum Fahrpreis einer Busfahrt? Wenn nachts die Busse kaum ausgelastet sind, könnte so eine ökologische und ökonomische Alternative geschaffen werden.
Flöck: Dieser Aspekt müsse unter den genannten Gesichtspunkten genauer geprüft werden.
Frage: Umstellung des Kraftstoffes von Bussen von Diesel auf Alternativenergien denkbar?.
Flöck: Das hieße die komplette Flotte umzustellen, Elektrobusse würden in Rheinland-Pfalz derzeit nicht gefördert, während NRW gerade umrüstet. Hier müsste geprüft werden, ob und wo man künftig Zuschüsse beantragen könne.
Frage: Die Stadt Pforzheim bietet allen Bewohnern kostenfreies Busfahren an, die Bürger zahlen hierfür in einen Fond ein. Ein denkbares Modell für Koblenz?
Flöck: Pforzheim hat sein Netz stark ausgedünnt, Flöck vermutet hinter der Aktion eine versteckte Steuer, macht sich aber kundig.
Frage: Sicherheit für Fußgänger ist durch Radfahrer in der Fußgängerzone teils arg gefährdet.
Flöck: Sieht personelle Probleme bei der polizeilichen/kommunalen Kontrolle, ohne deren Ausbau man das Problem nicht in den Griff bekommen könne.
Frage: Müssen für die Wohnraumversorgung auch land- und forstwirtschaftliche Flächen hinzugenommen werden?
Flöck: Dieser Punkt ist im Rat umstritten, nach sorgfältiger Prüfung wäre das vielleicht denkbar. Es gibt Stadtteile mit Bedarf und Möglichkeit. Wo es ökologisch vertretbar ist, können Baugebiete angedockt werden. Die Innenverdichtung ist keine Option.
Frage: Barrierefreiheit aus Sicht der Senioren (Fußgänger), Beispiel der zentrale Omnibusbahnhof. Hierzu ist ein Positionspapier in der Rhein Zeitung erschienen, Herr Flöck wird gebeten sich dieses anzusehen und ggf. Ideen und Anregungen zusammen mit den Bugafreunden zu besprechen.
Frage: Barrierefreie WCs in Koblenz. Gibt es einen Lageplan und in welcher Dichte müssen barrierefreie WCs bereitgestellt werden?
Flöck: In der Tourist-Info gibt es einen Lageplan über barrierefreie WCs in der Innenstadt. Klar ist allerdings, sie sind nicht ausreichend an der Zahl. Er nehme sich persönlich dieses bekannten Problems an.
Frage: Umrüsten auf Elektrobusse in Koblenz, realisierbar? Die Stadt Bonn habe von der EU Förderungen für Elektrobusse erhalten.
Flöck: Der Wille zu einer solchen Umrüstung muss gereift sein, dann müsse man eine Unterstützung auf Bundes- oder EU-Ebene ansprechen.
Frage: Die öffentliche Toilettenanlage am Löhrcenter sei in einem erbärmlichen Zustand. Dass die Anlage der Stadt Koblenz gehöre, sei unglaublich und ein denkbar schlechtes Aushängeschild.
Flöck: Beim Bau des Löhrcenters 1984 musste die Stadt Koblenz auch Pflichten übernehmen; dazu gehörte eine öffentliche Toilettenanlage. Die Stadt musste diese Anlage bauen und betreiben. Die ECE Projektmanagement GmbH & Co. KG zur Übernahme dieser Anlage zu bewegen ist bisher gescheitert. Im Stadtrat sind die unhaltbaren Zustände bekannt und das Problem wird in Angriff genommen.